WM-Star Annan: Kreisliga in Lirich
Am 23. Juni 2010 spielen bei der WM in Südafrika Deutschland und Ghana in Gruppe D gegeneinander. Viel Aufmerksamkeit zieht das Duell der in Berlin geborenen Brüder Boateng auf sich, Jerome trifft im DFB-Trikot auf Kevin-Prince, der sich für die "Black Stars" entschieden hatte. Neben dem älteren Boateng verrichtet im Mittelfeld der Westafrikaner ein Spieler unauffällig seinen Job, der heute in der deutschen Kreisliga kickt. Anthony Annan hat eine beachtliche Karriere hinter sich. 64 Länderspiele für Ghana, darunter eben fünf Einsätze bei der Weltmeisterschaft in Südafrika, alle über die komplette Distanz, bis im Viertelfinale nach Elfmeterschießen gegen Uruguay Endstation ist. Hinzu kommen fast 300 Partien in verschiedenen europäischen ersten Ligen, in Norwegen, Spanien, Finnland – und Deutschland
Jetzt, mit 37 Jahren, hat der Neffe des früheren UN-Generalsekretärs Kofi Annan seine Reise durch die Welt des Fußballs beendet. Anthony Annan ist wieder bei seiner Familie in Oberhausen, er kickt für die DJK Arminia Lirich , seine Gegner heißen nun BV Osterfeld, VfR 08 Oberhausen und Hibernia Alstaden. Und Sohn Bradley (9) tritt in Oberhausen in die Fußstapfen seines bekannten Vaters, in der Jugend von DJK Adler. Das FUSSBALL.DE -Interview.
FUSSBALL.DE: Anthony Annan, wie sind Sie bei Arminia Lirich gelandet?
Anthony Annan: Nachdem ich viele Jahre lang in verschiedenen Ländern als Profi unterwegs war, wollte ich wieder bei meiner Familie sein, die hier in Oberhausen lebt. Es war eine tolle Zeit im Fußball und vielleicht hätte es auch noch ein oder zwei Jahre so weitergehen können, aber nun bin ich froh, hier zu sein.
"Ein Fan hat mal sein Panini-Album von der WM 2010 mitgebracht und mir meinen Sticker gezeigt"
Gab es keine anderen Angebote, hätten Sie nicht lieber noch irgendwo in der Regional- oder Oberliga gespielt?
Annan: Es gab lose Anfragen, aber es war nichts dabei, wo ich gesagt hätte: Das musst du machen! Ich habe ja in den letzten Jahren in verschiedenen Vereinen in Finnland gespielt und hatte ein Angebot von einem Zweitligisten, aber das wollte ich nicht machen. Dann habe ich Kontakt zu meinem Berater Gerald aufgenommen und er hat für mich einige Kontakte geknüpft. Es gab ein Angebot eines Oberligisten aus der Nähe, doch für den Aufwand mit fast jedem Tag Training war es finanziell nicht so interessant, dass ich weiter komplett auf die Karte Fußball setzen wollte.
Hat bei den Anfragen auch Ihr Alter eine Rolle gespielt?
Annan: Ja, darauf wird in Deutschland sehr stark geachtet, und ich bin nun einmal inzwischen 37 Jahre alt. Auch wenn ich mich noch richtig fit fühle, weil ich immer für den Sport gelebt habe, entscheiden sich die meisten Vereine, wenn sie die Wahl zwischen zum Beispiel einem 22-Jährigen und einem Spieler in meinem Alter haben, für den Jüngeren.
Was haben die Jungs von Arminia Lirich gesagt, als Sie zum ersten Mal beim Training aufgetaucht sind?
Annan: Der erste, der auf mich zugekommen ist, meinte: Hey, ich bin Schalke-Fan, und ich kenne dich: Du bist Anthony Annan. ( lacht ) Das war Kevin Diehl. Er meinte noch: Du hast damals mit Raúl, Klaas-Jan Huntelaar, Julian Draxler, Bene Höwedes und all den anderen Größen zusammengespielt. Wow!
Sind die Jungs in der Mannschaft stolz darauf, dass sie mit solch einer Persönlichkeit in einer Truppe zocken?
Annan: Ich denke, dass sie viel von mir lernen wollen, aber ich habe schon in den ersten Einheiten gesehen, dass viel Potenzial im Team steckt. Ich habe sehr viel Spaß daran, den Jungs mit meiner Erfahrung auf dem Platz zu helfen – und bisher läuft es in der Liga auch sehr gut für uns.
Wissen auch die Gegenspieler, dass Sie mal bei der WM gegen Deutschland gespielt haben?
Annan: Natürlich nicht alle, aber einige. In der Vorbereitung hatten wir ein Turnier, da haben wir unter anderem gegen Sterkrade gespielt. Nach dem Abpfiff kam einer der Spieler auf mich zu und meinte: "Das ist nicht fair, dass du hier mitspielst!" ( lacht ). Und in einem anderen Match, das war gegen den SV Sarajevo Oberhausen, meinte ein Gegenspieler zu mir: Das ist super, dass so ein Spieler wie du, der schon einmal bei der WM dabei war, jetzt hier bei uns in der Kreisliga kickt.
Mussten Sie auch Autogramme geben und Selfies mit Fans machen?
Annan: Ja, das auch. ( lacht ) Nach einem Spiel kam eine Frau mit ihrem Sohn auf mich zu und hat gefragt, ob ich ihr ein Autogramm auf ihrer Eintrittskarte geben könne. Das habe ich natürlich gerne getan. So etwas macht mich sehr stolz, denn es zeigt, dass man meinen Namen nicht vergessen hat, wahrscheinlich vor allem aus meiner Zeit bei Schalke. Ein anderer Fan hat mal sein Panini-Album von der WM 2010 mitgebracht und mir meinen Sticker gezeigt.
Sie sind in der Welt viel herumgekommen, von Ihrem Heimatland Ghana ging es erst einmal nach Norwegen. Haben Sie bei den Temperaturen keinen Schock bekommen und sich gefragt, wo sind Sie denn hier gelandet, als es zum ersten Mal geschneit hat?
Annan: Vorher war ich noch in England. Das war 2005, ich hatte ein Angebot von Blackburn Rovers, Mark Hughes, die Legende von Manchester United, war zu der Zeit dort Trainer. Leider habe ich kein Visum bekommen. Norwegen war dann Anfang 2007, IK Start hat mich geholt. Als ich aus dem Flugzeug gestiegen bin: Alles war weiß und es war fürchterlich kalt. Die ganze Zeit in Norwegen habe ich nur fürs Training und die Spiele mein Hotel verlassen ( lacht ).
Bevor Sie nach Schalke gekommen sind, haben Sie für Rosenborg Trondheim gespielt. Wie kam der Wechsel zu S04 Schalke zustande? Damals gab es Gerüchte darüber, dass Sie eigentlich nach Sevilla transferiert werden sollten. Dann ist allerdings Ivan Rakitic von Schalke nach Sevilla gegangen…
Annan: Das stimmt so nicht. Nach der WM 2010 bin ich nach Ghana geflogen, um meine Familie zu sehen, und hatte zu der Zeit einen Anruf aus Sevilla. Der Wechsel hat sich aber aus verschiedenen Gründen zerschlagen, und ich war glücklich, einen Vertrag bei einem großen Klub wie Schalke zu bekommen. Allerdings war in dem Verein damals viel Unruhe, Felix Magath, der mich geholt hatte, wurde kurze Zeit später entlassen und sein Nachfolger Ralf Rangnick hat mich sehr wenig eingesetzt.
Wie sehen Ihre Pläne für die Zeit nach der Profikarriere aus, also jetzt?
Annan: Ich lerne jetzt erst einmal Deutsch, das ist wirklich schwer, und kümmere mich ansonsten um meine Familie. Da ich aber auch in Zukunft gerne im Fußball bleiben möchte, könnte ich mir gut vorstellen, einmal Trainer zu werden, am besten in einer Jugendmannschaft.