Wie Tim Greifenegger Stammzellenspender wurde

Tim Greifenegger, Abwehrspieler in der Bayernliga Süd beim FC Pipinsried, wurde ganz unverhofft zum Stammzellenspender und damit im besten Fall zum Lebensretter für einen Blutkrebspatienten. Dabei hatte er es fast schon vergessen, dass er sich einst während seiner Ausbildung zum Schreiner als 16-Jähriger in der Berufsschule hatte typisieren lassen. Im FUSSBALL.DE-Interview spricht der 22 Jahre alte Verteidiger über Voruntersuchungen, die Angst vor Spritzen und die Unterstützung durch seinen Verein und die Teamkollegen.

FUSSBALL.DE: Sie verdienen Ihren Lebensunterhalt als Schreiner, haben sich einst mit 16 Jahren als Berufsschüler typisieren lassen. Wie kam es dazu, Herr Greifenegger?

Tim Greifenegger: In der Berufsschule gab es damals eine Aktion, bei der man sich bei der Deutschen Knochenmarkspenderdatei DKMS registrieren lassen konnte. Ich hatte vorher bereits davon gehört, weil meine Eltern sich ebenfalls schon beteiligt hatten. Deshalb habe ich einfach mitgemacht.

Wie sehr waren Sie jetzt davon überrascht, zu einem Stammzellenspender für einen Blutkrebspatienten werden zu können?

"Wenn man mit so wenig Aufwand ein Menschenleben verlängern oder retten kann, dann sollte es eigentlich jeder machen"

Greifenegger: Um ganz ehrlich zu sein: Ich hatte es fast schon vergessen und war daher auch total überrascht, als ich von der DKMS angerufen wurde. Die Chancen, dass man als Stammzellenspender infrage kommt, sind relativ gering.

Was passiert bei einer Typisierung und wie läuft das ab?

Greifenegger: Die Typisierung ist keine große Sache. Ähnlich wie bei den Corona-Tests wird mit einem langen Wattestäbchen im Mundbereich ein Abstrich abgenommen. Wenn man mit so wenig Aufwand ein Menschenleben verlängern oder retten kann, dann sollte es eigentlich jeder machen.

Plötzlich klingelte das Telefon und ein DKMS-Mitarbeiter meldete sich bei Ihnen. Wie ging es dann weiter?

Greifenegger: Mir wurde mitgeteilt, dass ich als potenzieller Spender infrage komme. Daraufhin wurden mir zwei Glasgefäße zugeschickt, mit denen ich zu meinem Hausarzt gehen musste. Das abgenommene Blut hat mein Hausarzt an die DKMS zurückgeschickt. Bis man dann von der DKMS eine Nachricht bekommt, kann es bis zu zwölf Wochen dauern. In meinem Fall hatte ich jedoch eine Woche nach meinem Hausarztbesuch die Nachricht bekommen, dass alles übereinstimmt.

In Tübingen, dem Sitz der DKMS, wurde Ihnen in einem Vorgespräch erklärt, was auf Sie zukommt. Wie sind Sie damit umgegangen?

Greifenegger: Ich wohne in Aichach, einem Ort zwischen Augsburg und München, bin ins 250 Kilometer entfernte Tübingen gereist. Vor der offiziellen Spende musste ich zu einer Voruntersuchung erscheinen. Dort wurde ich noch einmal komplett durchgecheckt. In einem abschließenden Gespräch bin ich von einem Arzt über den genauen Ablauf aufgeklärt worden. Vier Tage vor der eigentlichen Spende musste ich mir selbst zweimal täglich zwei ​Spritzen in den eigenen Bauch setzen. Dies war nötig, damit mein Körper vermehrt Stammzellen produziert. Während dieser Zeit hat man absolutes Sportverbot.

Wie schwer fiel Ihnen das?

Greifenegger: Ich habe es nicht geschafft, mir selbst die Spritzen zu geben. Meine Mama Monika hat diesen Part übernommen. Ich habe die Augen zugekniffen, konnte gar nicht hinschauen. (lacht) Dabei war es in Wirklichkeit überhaupt kein Problem.

Einen Tag vor der Spendenabgabe mussten Sie erneut nach Tübingen anreisen. Wie froh waren Sie, als die Prozedur zu Ende war?

Greifenegger: Einen Tag vor der Spende bin ich mit meiner Freundin Klara nach Tübingen gereist. Die DKMS stellt ein Hotel und sämtliche Verpflegungen zur Verfügung. Am Tag der Spende ist mir ein Zugang im linken sowie ein Zugang im rechten Arm angelegt worden. Die Stammzellenentnahme dauerte zweieinhalb Stunden. Aber anschließend fühlte ich mich, als sei nichts gewesen.

Wie fühlt es sich an, wenn man vielleicht ein Menschenleben retten kann?

Greifenegger: Es ist zum jetzigen Zeitpunkt noch schwer nachzuvollziehen, weil die Spende anonym ist und man die Situation des Empfängers und dessen Leidenszeit nicht kennt. Dennoch ist es auch so schon ein gutes Gefühl. Umso mehr möchte ich Männer und Frauen motivieren, sich ebenfalls typisieren lassen, um dann, im besten Fall, zu einem Stammzellenspender für einen Blutkrebspatienten zu werden.

Wie ist Ihre Tat im Kreis der Mannschaft aufgenommen worden?

Greifenegger: Die Resonanz war durchweg positiv, obwohl ich in der Englischen Woche dadurch zwei Spiele verpasst hatte. Die Jungs haben viele Fragen über den genauen Ablauf gestellt und waren insgesamt sehr interessiert.

Hoffen Sie auf Nachahmer oder plant der Verein demnächst eine eigene Aktion im Rahmen eines Gesundheitstages?

Greifenegger: Unser Vereinspräsident Benny Rauch lässt sich in den nächsten Wochen etwas einfallen, will die Sache vorantreiben. Er selbst hat sich schon vor einigen Jahren registrieren lassen. In Sachen Gesundheit könnte entweder ein Blutspendertermin oder eine DKMS-Typisierung bei uns auf der Platzanlange stattfinden.

Werden Sie irgendwann den Kontakt zu dem Blutkrebspatienten suchen?

Greifenegger: Die Initiative dazu muss grundsätzlich vom Blutkrebspatienten ausgehen. Ich weiß nur, dass die Person in Deutschland lebt. Ich hätte auf jeden Fall nichts dagegen, wenn es irgendwann zu einem Kontakt käme.

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Tim Greifenegger: "Die Typisierung ist keine große Sache."

Autor*in
Autor/-in: Peter Haidinger/MSPW