Stanley Ratifo: WM-Traum und Leipzig-Wechsel

Der Traditionsverein BSG Chemie Leipzig kann in der neuen Saison in der Regionalliga Nordost einen aktuellen A-Nationalspieler aufbieten. Stanley Ratifo (29), der im Januar mit Mosambik beim Afrika-Cup für Aufsehen sorgte und derzeit um die WM-Qualifikation kämpft, wechselt vom 1. CfR Pforzheim aus der Oberliga Baden-Württemberg nach Leipzig-Leutzsch. Im FUSSBALL.DE-Interview nimmt er Stellung.

Nach fünf Jahren in der Oberliga beim 1. CfR Pforzheim haben Sie sich für einen Wechsel zur BSG Chemie Leipzig in die Regionalliga Nordost entschieden. Wie schwer ist Ihnen der Abschied aus Pforzheim gefallen, Herr Ratifo?

Stanley Ratifo : Auf jeden Fall war es nicht leicht. Mit all den Kontakten, die man über einen so langen Zeitraum geknüpft hat, ist Pforzheim zu einer zweiten Heimat für mich geworden. Ich war im Verein anerkannt und habe viel Liebe und Aufmerksamkeit erfahren. Im Fußball hat aber alles ein Ende. Ich bin nun bereit für das neue Kapitel und freue mich auch darauf.

Warum fiel die Wahl auf die BSG Chemie?

"Beim Erreichen der WM würden die Leute hier wohl alles für eine Woche stehen und liegen lassen und uns auf Händen tragen"

Ratifo : Mir wurde sehr viel Wertschätzung entgegengebracht. Die Gespräche waren sehr respektvoll. Im Verein herrscht ein familiäres Klima, hinzu kommt noch die lange Tradition des Klubs. Für mich war es auch wichtig, wieder nah bei der Familie und Freunden zu sein. Ich war für einen langen Zeitraum nicht mehr im Osten. So bin ich nun wieder näher an meiner Heimat in Halle. Mir war daher schnell klar: Den Schritt will ich machen.

Welche Ziele verfolgen Sie mit dem Klub?

Ratifo : Ich will zunächst einmal ankommen und mich akklimatisieren, um dann schnell zu funktionieren, mein Offensivspiel einbringen zu können und die Mannschaft zu verstärken. Der Verein hat natürlich auch Ziele. Sobald wir in der Vorbereitung sind und die Ziele feststehen, werde ich alles dafür tun, dass wir diese auch erreichen.

Als Jugendkicker waren Sie viele Jahre für den Lokalrivalen und Ligakonkurrenten 1. FC Lok Leipzig am Ball. Freuen Sie sich daher besonders auf die Derbys?

Ratifo : Ich weiß, was bei den Derbys abgeht und freue mich darauf. Ich will das Derby mit der BSG Chemie Leipzig gewinnen. Das ist ein unglaubliches Spiel von sehr hoher Bedeutung. So wird das auch für mich sein. Mit einem Sieg kann man den Fans sehr viel geben. Etwas Geileres gibt es nicht.

Auch als Oberligakicker erkämpften Sie sich einen Stammplatz in der Nationalmannschaft von Mosambik. Erhoffen Sie sich dennoch durch den Wechsel in die Regionalliga noch einen Schub für Ihre internationale Karriere?

Ratifo : Auf jeden Fall. Ich glaube, dass ich mich im Training noch weiter verbessern kann. Ich freue mich darauf, viel mit der Mannschaft auf dem Platz zu stehen.

Gab es darüber auch einen Austausch mit dem Nationaltrainer?

Ratifo : Als ich bei der Nationalmannschaft angekommen bin, kam Trainer Chiquinho Conde direkt auf mich zu und meinte, dass er meinen Wechsel nach Leipzig mitbekommen hat. Er hat sich für mich gefreut und gesagt, dass ich alles geben soll. Als Spieler der Regionalliga erfährt man Wertschätzung. Man verfolgt, was ich mache und hat ein Auge auf den Klub.

Die Teilnahme am Afrika-Cup im Januar war der bisherige Höhepunkt Ihrer Karriere. Wie blicken Sie mit einigen Monaten Abstand darauf zurück?

Ratifo : Mit großer Dankbarkeit. Medial war das auch ein großes Thema. Den Afrika-Cup erreicht zu haben, macht Hunger auf mehr. Jetzt verfolgen wir das Ziel, die erste WM- Teilnahme zu erreichen. Das wäre überragend. Was am Ende daraus wird, werden wir sehen.

In den nächsten Tagen stehen zwei WM-Qualifikationsspiele gegen Somalia und Guinea an. Wie bewerten Sie die Chancen?

Ratifo : Wir sind sehr optimistisch. Gegen Somalia müssen wir auf jeden Fall gewinnen. Dann geht es in Marokko gegen Guinea. Wenn wir da ein Unentschieden holen, können wir zufrieden sein. Guinea hat mit Serhou Guirassy vom Bundesligisten VfB Stuttgart einen Topstürmer, der derzeit sehr gut drauf ist. Wir müssen unsere Chancen ordentlich verwerten und konzentriert spielen. Dann sind sogar drei Punkte möglich.

Erstmals qualifizieren sich neun statt wie bisher nur fünf Nationen aus Afrika für das Turnier 2026 in den USA, Kanada und Mexiko. Was würde die erstmalige Teilnahme an einer Weltmeisterschaft für Ihr Heimatland bedeuten?

Ratifo : Das wäre das Größte, was möglich wäre. Wir wurden schon für die Qualifikation für den Afrika-Cup gefeiert. Beim Erreichen der WM würden die Leute hier wohl alles für eine Woche stehen und liegen lassen und uns auf Händen tragen.

Und für Sie persönlich?

Ratifo : Das wäre ein riesengroßer Schritt. Mein Traum war es, den Afrika-Cup zu spielen. Den habe ich mir erfüllt. Ich konnte gar nicht soweit denken, dass ich mit Mosambik eine Weltmeisterschaft spielen könnte. Wenn das passieren würde, würde ich vermutlich erstmal einen Schock bekommen.

Eine WM-Teilnahme wäre sicherlich auch eine gute Inspiration, um neue Songs aufzunehmen, oder?

Ratifo : Wenn das passiert, mache ich auf jeden Fall einen WM-Song. Vielleicht geht der ja dann durch die Decke. lacht

Werden Sie grundsätzlich den Wechsel nach Leipzig auch nutzen, um Ihre Karriere als Musiker voranzutreiben?

Ratifo : Vom Verein gibt es in dieser Richtung auf jeden Fall keine Steine, die mir in den Weg gelegt würden. Ich will persönlich den Fußball aber wieder mehr in den Fokus rücken, um schnell anzukommen, gut zu performen und mich bestens in die neue Mannschaft einzugliedern. Natürlich werde ich weiterhin Musik machen, aufnehmen und produzieren, aber alles ein wenig behutsamer.

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Ratifo: "Mir wurde sehr viel Wertschätzung entgegengebracht."

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Ratifo im Nationaltrikot Mosambiks

Autor*in
Autor/-in: Ralf Debat/MSPW