Schiri-Bindung: "Wir lassen da nicht locker!"
T-U-N: Ein Wort mit drei Buchstaben, das vieles bewirken kann, wenn man es mit Leben füllt. Bedeutet umgekehrt: Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun. Ein Amateurverein aus Rheinland-Pfalz, der dem kleinen Wort mit großer Wirkung durch Aktionen und Projekten Taten folgen lassen hat, ist der 1. FC 23 Hambach. Im Jahr der Schiris hat der Klub aus Neustadt an der Weinstraße mit seinen 770 Mitgliedern proaktiv angepackt und sich fleißig engagiert.
Bereits im März 2023 hatte der Hambacher Schiri-Beauftragte Andreas Schlick im FUSSBALL.DE-Interview das "Projekt 23" ausgerufen, um die Schiedsrichterzahlen zu erhöhen und für die Relevanz des Themas zu sensibilisieren. Das Jahr der Schiris neigt sich als Initiative, die das Bewusstsein für das Problem des Schiedsrichtermangels geschärft hat, zwar dem Ende entgegen. Jedoch gibt es weiterhin viele Herausforderungen und es sind noch wichtige Schritte auf dem Weg zu gehen, damit sich das Engagement vieler Amateur- und Profivereine langfristig und nachhaltig auszahlt. Im neuerlichen FUSSBALL.DE -Gespräch blickt der 51 Jahre alte Schlick knapp zehn Monate später auf die Entwicklung des Projekts zurück, spricht über positive Effekte des Engagements im Schiri-Bereich und erklärt seine Position als Schiri-Beauftragter.
FUSSBALL.DE: Herr Schlick, Ihr Verein war im Jahr der Schiris sehr aktiv und hat sich sehr mit eigenen Projekten engagiert. Im März 2023 haben Sie das "Projekt 23" ausgerufen. Was steckt dahinter?
Andreas Schlick: Man kann noch mal zurückgehen in das Jahr 2022 während der Coronazeit. Wir haben in Kooperation mit dem Kreisschiedsrichterausschuss einen Schiedsrichter-Tag im August 2022 organisiert, bei dem Dr. Markus Merk zu Gast war. Er hat ein bisschen über sein Leben referiert, was er alles erreicht hat und wie seine Vita war. Das Ziel war, junge Leute für die Schiedsrichterei zu begeistern - das war im Jahr 2022 der erste Step.
"Ich hoffe, dass man zum 1. FC 23 Hambach geht, wenn man Schiedsrichter werden möchte"
Dann kam der Tag am 23. März 2023. Was hat es mit der Zahl 23 auf sich?
Schlick: Die Zahl 23 ist bei uns im Vereinsnamen verpflichtend. Die Zahl 23 ist der Mann, der die Spiele leitet. Denn der 23. Mann auf dem Platz ist der Schiedsrichter. Deswegen habe ich am 23. März 2023 das ‘Projekt 23‘ ausgerufen: 23 Schiedsrichter in 23 Monaten, die 23 Spiele leiten.
Wie sieht der aktuelle Stand beim 1. FC 23 Hambach aus?
Schlick: Bei uns im Kreis sind die Schiedsrichterzahlen lange Zeit ganz stark nach unten gegangen. Der Entwicklung wollten wir entgegenwirken, weil ich auch als Schiedsrichter-Pate aktiv bin. Wir haben bei uns im Kreis 20 Schiedsrichter-Paten. Als Verein sind wir federführend, weil wir zwei Paten stellen. Dass wir 23 Schiedsrichter im Verein haben, werden wir nicht erreichen. Wenn wir 15 haben, wäre ich auch schon sehr glücklich. Wir haben unsere Zahl von neun auf derzeit zehn gemeldete Schiedsrichter gesteigert. Man muss fairerweise dazu sagen, dass man erst zum Schiedsrichter-Soll zählt, wenn man fünf Spiele gepfiffen hat. Wir haben vier Kandidaten dabei, die noch nicht ihre fünf Spiele durchgeführt haben. Als kleiner Verein haben wir unser Schiedsrichter-Soll jetzt schon erreicht und der Rest der Saison liegt noch vor uns. Wir müssten fünf Schiris stellen, aktuell sind wir bei sechs Schiedsrichtern.
Die Zahlen können sich sehen lassen. Wie lautet ihre Prognose?
Schlick: Wir werden fünf bis sieben Schiedsrichter haben, die mehr als 23 Spiele pfeifen, aber der Rest eher nicht. Das muss man realistisch sehen. Es war gar nicht meine Absicht, dass wir als kleiner Verein in der B-Klasse 23 Schiedsrichter haben. Aber man muss meines Erachtens auftrumpfen. Denn der Bericht auf Fussball.de hat bei uns im Kreis in vielen Vereinen zu einem richtigen Echo geführt. Im Februar haben wir zwei Schiedsrichteranwärter, die dazu kommen. Wir werden bis Ende der Saison wahrscheinlich dann zwölf gemeldete Schiedsrichter haben. Ich hoffe, dass wir als Verein wahrgenommen werden, sodass man zum 1. FC 23 Hambach geht, wenn man Schiedsrichter werden möchte.
Das Engagement Ihres Vereins, bei dem sie seit 2016 in verschiedenen Funktionen tätig sind, hat sich im Schiri-Bereich bereits ausgezahlt. Welche Aktionen haben zu diesem positiven Ergebnis geführt?
Schlick: Der erwähnte Schiedsrichter-Tag war ein gutes Modul, und ich hoffe, dass der wieder zurückkommt und wir da weitermachen. Seit Ende letzten Jahres haben wir auch eigene Social-Media-Kanäle für unsere Schiedsrichter. Der Zweck ist, die Leute für die Schiedsrichterei zu animieren. Wenn Events oder Lehrgänge sind, ist es mir sehr wichtig, dass ich darüber informiere. Gut angekommen ist auch unser gemeinsamer Ausschank mit dem Schiedsrichterförderverein auf dem Christkindelsmarkt in Hambach. Die Idee einer Tombola für unseren Neujahrsempfang wurde hier geboren und durch Spenden konnten wir Geld für den noch jungen Schiedsrichterförderverein generieren. Das kommt auch dem Schiedsrichternachwuchs zugute und ist sehr wichtig. In diesem Jahr werden wir zudem versuchen, alle Schiedsrichtervereinigungen im Umkreis anzuschreiben, um auf dem Christkindelsmarkt in Hambach ein Schiedsrichter-Weihnachtssingen zu veranstalten.
Von analogen zu digitalen Maßnahmen: Inwiefern waren die Auftritte auf Social-Media hilfreich und wie ist das Feedback?
Schlick: Wir haben während der Weihnachtstage über unseren Instagram-Account ‘23 Schiedsrichter‘ eine Adventskalender-Aktion mit Regelfragen eingestellt, die die User beantworten konnten. Es wurde sehr gut angenommen. Das sind zwar nur 60 bis 80 User, die da jeden Tag draufklicken, aber das Feedback ist positiv. Wir hatten insgesamt 67 Teilnehmer. Die Top-20 hatte ich für den Regelabend am 20. Januar eingeladen. Dort haben wir einen Regelchampion gekürt und unser neues Wappen vorgestellt, das sich aus unserem Vereinslogo und einer Pfeife zusammensetzt. Es gab zudem ein 500-teiliges Puzzle, das unser Wappen abbildet und präsentiert wurde. Dazu haben wir noch einen Hashtag und einen Slogan kreirt. Der Hashtag heißt ‘#schlossschiris‘ und der Slogan heißt ‘Wir sind Schiedsrichter‘.
Sie haben das neue Wappen schon erwähnt. Warum haben Sie speziell ein neues Wappen für die Schiedsrichter des 1. FC 23 Hambach entworfen und Ihre Follower daran teilhaben lassen?
Schlick: Ich bin ein Wappen-Fan, denn mit Wappen kann man sehr viel verbinden. Bilder sagen mehr als Worte. Wir wollten damit zeigen, dass es uns Schiedsrichter gibt. Wir haben unsere Follower abstimmen lassen, um sie bei Laune zu halten und darauf hinzuweisen. Der Hashtag heißt ‘#schlossschiris‘, weil das Hambacher Schloss im Wappen drin ist und wir darauf ganz stolz sind. Dort fand letztes Jahr auch unsere Feier zum 100-jährigen Jubiläum statt.
Auch Sie hatten Grund zum Feiern. In diesem Jahr wurden Sie für 20 Jahre Schiedsrichtertätigkeit ausgezeichnet, im vergangenen Jahr feierte Ihr Sohn zehnjähriges Jubiläum. Warum engagieren Sie sich gerade so umfangreich für die Schiedsrichterei?
Schlick: Wenn ich auf dem Fußballplatz bin, frage ich immer wieder, wie viele Schiedsrichter die Vereine haben - das ist mein Credo. Eine Sache habe ich von Dr. Markus Merk mitgenommen: Es ist ein Problem, Schiedsrichter zu finden, aber es ist auch wichtig, immer wieder über das Thema zu sprechen. Da müssen wir vorankommen, weil es wichtig ist. Den Verantwortlichen zu finden ist genauso schwer, wie einen Schiedsrichter zu finden. Aber unsere Problematik liegt nicht in der Ausbildung, da die Lehrgänge mittlerweile voll sind. Wir bieten sieben Lehrgänge an. Das Halten von den Schiedsrichtern ist die Schwierigkeit. Man hat als Verein Geld investiert, eine Ausstattung geholt und dann war es das. Die Nachhaltigkeit fehlt uns: Wir bilden aus, wir bilden aus, wir bilden aus und verlieren sie. Ich war selbst im Kreisschiedsrichterausschuss in der Saison 2014/2015 tätig. In dieser Zeit hatten wir seinerzeit 35 Schiedsrichter unter 18 Jahren, von denen gerade mal drei übriggeblieben sind.
Sie pfeifen seit 20 Jahren und sind seit 2021 Schiri-Beauftragter. Eine Position, die beim Amateurfußball-Kongress (AFK) die Top-Handlungsempfehlung war. Welchen Stellenwert hatte der AFK im Hinblick auf den Schiri-Bereich?
Schlick: Der AFK ist enorm wichtig, weil der Amateurbereich die Basis für das ist, was vielleicht irgendwann kommt. Ich finde es wichtig, den Menschen zu vermitteln, dass der Amateurfußball wirklich die Basis ist: Für einen Franz Beckenbauer, für einen Fritz Walter, für einen Uwe Seeler. Es ist mir ein Anliegen, dass mehr Stars oder Schiedsrichter nach unten gehen und schauen, wie es an der Basis abläuft.
Warum ist es in dem Zusammenhang so wichtig, einen Schiri-Beauftragten zu haben und welche Aufgaben bringt diese Position mit sich?
Schlick: Das brauchen wir unbedingt, denn jeder Verein hat einen Trainer und einen Vorstand. Der Schiri-Beauftragte ist ganz wichtig: Dieser muss sich intern um die Schiedsrichter des Vereins kümmern und extern um die Schiedsrichter, die bei ihm auf dem Platz pfeifen. Das kann ein Schiedsrichter sein, der es bloß delegieren muss - so ist es bei uns im Verein. Ich bin Beisitzer in der Vorstandschaft, praktisch das Bindeglied zwischen den Schiedsrichtern bei uns im Verein und der Vorstandschaft. Ich bin der Trainer der ersten Mannschaft Schiedsrichter. Ein Schiri-Beauftragter sollte aber nicht nur auf dem Platz stehen, sondern auch etwas tun. T-U-N, das ist ein wichtiges Wort. Dass einer da ist, der den Schiedsrichter begrüßt, dass die Ordnerwesten verteilt sind und der Schiedsrichter auch etwas zu trinken bekommt - das gebührt dem Anstand. Die Schiedsrichterkabine ist die Visitenkarte des Vereins. Es ist wichtig, dass ein Ansprechpartner da ist, man als Schiedsrichter seine Spesenabrechnung bekommt und nicht suchen muss, wer für einen zuständig ist. Für mich ist auch das gesellschaftliche Miteinander wichtig, dass man eine Weihnachtsfeier macht oder sich gemeinschaftlich trifft.
Damit das eine Rad ins andere greift, geht es nur zusammen. Warum ist es für Amateurvereine von besonderer Bedeutung, sich im Schiri-Bereich aktiv zu engagieren?
Schlick: Die Aus- und Weiterbildung von Schiedsrichtern ist ein ganz wesentlicher Bestandteil zur Sicherung des Amateurfußballs, wie wir ihn kennen. Ohne Schiedsrichter gäbe es weder im Jugend- noch im Seniorenbereich Spiele. Ohne Schiedsrichter geht es nicht! Die Einhaltung des Schiedsrichter-Solls ist auch für die Außendarstellung des Vereins fördernd. Wenn ich sehe, dass ein Verein einen Schiedsrichter in der Regionalliga oder Bundesliga hat, ist das sein Aushängeschild – das kann viel bewirken. Dann komme ich wieder zum Abschluss: T-U-N. Entweder sie tun etwas und es kommt dabei etwas heraus oder sie tun nichts. Nach den Wahlen im März möchten wir neue Wege gehen und verschiedene Aktionen starten, wo wir die Schiedsrichter binden – wir lassen da nicht locker!