Prominenz appelliert an Fußball-Eltern

Der Rücktritt von Lothar Matthäus als Nachwuchstrainer beim TSV Grünwald hat diese Woche bundesweit für Schlagzeilen und viele Reaktionen gesorgt. Als Beweggrund nannte der deutsche Rekordnationalspieler die überhand nehmende Einmischung der Eltern. Ein Problem, das im deutschen Nachwuchsfußball zum Alltag gehört. Einerseits sind die Eltern als Kümmerer und Unterstützung wichtig für jede Mannschaft, auf der anderen Seite ist es schädlich, wenn sie sich immer wieder einmischen, allein das eigene Kind in den Mittelpunkt stellen oder allzu oft den eigenen Ehrgeiz auf ihren Nachwuchs projizieren.

Im Rahmen der bundesweiten Kinderfußball-Tour, die der DFB und Volkswagen im Frühjahr und Sommer rund um die EURO 2024 an 23 Standorten durchführten, hatte sich FUSSBALL.DE bereits bei der dort anwesenden Prominenz umgehört. Was raten die Expert*innen aus dem Fußball den Eltern? Welche Botschaften und Tipps haben sie?

Stefan Effenberg (Ex-Nationalspieler und TV-Experte): "Die Eltern sollen ihre Kinder unterstützen, aber auf keinen Fall zu viel Einfluss nehmen. Das tut den Kindern mit Sicherheit nicht gut. Dafür sind die Trainerinnen und Trainer da."

"Die Eltern sollen möglichst die Klappe halten und die Trainer machen lassen"

Hermann Gerland (Trainerlegende und Co-Trainer der U 21-Nationalmannschaft): "Die Eltern sollen möglichst die Klappe halten und die Trainer machen lassen."

Mario Götze (Weltmeister 2014): "Wichtig ist, dass Eltern bestmöglich auf ihr Kind eingehen. Sie sollten dabei gewisse Dinge vorleben und auch Guidelines geben, aber nicht ihre eigenen Wünsche und Vorstellungen in den Vordergrund stellen."

Uwe Bein (Weltmeister 1990): "Eigentlich müssten viele Eltern ein Heftpflaster auf den Mund geklebt bekommen, wenn sie zum Fußballspiel ihrer Kinder gehen. Ich habe es selbst unter anderem bei meinen Fußballcamps oft genug erlebt: Der Trainer sagt etwas, drei Minuten später ruft der Vater etwas ins Spiel – und das Kind steht da und weiß nicht, was es machen soll. Die Eltern müssen und sollen ihre Kinder unterstützen, aber was auf dem Fußballplatz gesprochen wird, muss Sache des Trainers sein."

Casper Jander (Spieler 1. FC Nürnberg): "Eltern, die sehr verbissen sind, sind nicht förderlich. Fußballprofi zu werden, entwickelt sich als Kind aus dem Spaß heraus. Und später sieht man dann selbst, wie weit es geht."

Giovane Elber (Bayern-Legende): "Die Eltern sollen sich die Spiele anschauen, aber bitte nicht laut werden. Lasst die Trainerinnen und Trainer machen."

Nikola Ludwig (Co-Trainerin U 16-Nationalmannschaft weiblich und Mitglied im DFB-Kompetenzteam von Hannes Wolf): "Meine Botschaft an die Eltern: Versucht goldene Momente auf dem Fußballplatz mit euren Kindern zu kreieren, zum Beispiel als Spielfeldbegleiter in den neuen Spielformen des Kinderfußballs. Ansonsten: Lasst eure Kids einfach kicken und feiert mit ihnen besondere Fußballmomente."

Heiko Westermann (Ex-Nationalspieler, Co-Trainer FC Barcelona): "Mir geht es auf den Sportplätzen oft zu ruppig seitens der Eltern zu. Lasst die Kinder kicken und nehmt nicht zu viel Einfluss aufs Spiel."

Fair Play-Regeln im Kinderfußball

Auch dem DFB und seinen Landesverbänden ist das Thema wichtig. Ein verbesserter Umgang auf und abseits des Platzes, vor allem im Kinder- und Jugendfußball, gehört zu den zentralen Anliegen. Maßnahmen wie die aus der Fair Play-Liga entstandenen Fair Play-Regeln oder die Fair Play-Karte sollen darauf einzahlen.

Die  zentralen Ideen der Fair Play-Liga  sind seit der Saison 2017/2018 bundesweit flächendeckend im deutschen Kinderfußball im Einsatz. Sie werden als Fair Play-Regeln in den neuen Spielformen im  Kinderfußball  angewendet. Die neuen Spielformen gelten mit Beginn dieser Saison bundesweit verbindlich für die Altersklassen G-, F- und E-Jugend.

Ziel ist, den Kindern maximale Freiheit und Ruhe zu ermöglichen, damit sie ungestört ihr Spiel spielen können und Spaß am Kicken haben. Des Weiteren lernen die Kinder durch das selbstständige Einhalten und Umsetzen der Regeln Eigenverantwortung zu übernehmen. Außerdem sollen sie nachhaltig von ihren eigenen Erfahrungen profitieren und später Gegenspieler*innen und Schiedsrichter*innen mit mehr Respekt begegnen.

Das sind die Fair Play-Regeln:

  • Schiedsrichter*innen-Regel: Besagt, dass bis zum Alter von zehn Jahren kein Schiri das Spiel leitet, sondern die Spieler*innen selbst. Durch das Fehlen der Unparteiischen, lernen die Kinder eigenverantwortlich auf dem Fußballplatz zu handeln, sowie auch Mitverantwortung für die Mitspieler*innen zu übernehmen.
  • Trainer*innen-Regel: Die Trainer*innen und Spielfeldbegleiter*innen müssen sich in der sogenannten Coaching-Zone (zehn Meter an der Mittellinie) aufhalten. Die Trainer*innen agieren als Partner*innen im sportlichen Wettkampf, sie verstehen sich als Vorbilder und verhalten sich auch dementsprechend. Sie geben nur die nötigsten Anweisungen, wissen aber das die finale Einhaltung der Spielregeln ihnen obliegt. Bei den Trainer*innen soll dadurch ein Bewusstsein entstehen, dass gegenseitiges Kritisieren oder gar Beschimpfen insbesondere bei einem Kinderfußballspiel nichts zu suchen hat.
  • Fan-Regel: Die Zuschauer*innen müssen einen Abstand von ca. 15 Metern zum Spielfeld einhalten. Sie sollen sich dadurch zurückhaltender verhalten, sodass es um das Spielfeld herum ruhiger zugeht. Anfeuerungsrufe sind weiterhin gewünscht, sollen aber in einer angemessenen, dem kindlichen Spielbedürfnis entsprechenden Form erfolgen. Die Kinder sollen sich voll und ganz auf sich selbst fokussieren und behalten "ihr" Spiel.

Das ist die Fair Play-Karte

Eltern investieren viel Zeit in den Sport ihrer Kinder. Sie sind mit Emotionen und Leidenschaft bei der Sache. Für ihr Engagement und ihren unermüdlichen Einsatz gebührt ihnen ein ganz besonderes Lob. Klar, dass Eltern auf die Leistung ihres Kindes stolz sein möchten. Aber nicht jedem wird das Talent eines Jamal Musiala oder Florian Wirtz in die Wiege gelegt. Und Fußball ist und bleibt ein Mannschaftssport, der auch die Anerkennung der Leistung der anderen auf und neben dem Platz erfordert. Deshalb immer daran denken: Im Mittelpunkt stehen das Wohl der Kinder und ihre Freude am Fußball. Die Erwachsenen sind für sie Vorbilder – dieser Verantwortung müssen sie sich immer bewusst sein.

Anlässlich der Fair Play-Tage wurde daher vor einigen Jahren die Fair Play-Karte im Kinderfußball eingeführt.

Fair bleiben, liebe Eltern! Damit Fußball Freude bleibt.

Diese Botschaft übermitteln die Nachwuchsspieler*innen mit Hilfe der Fair Play-Karte, die sie vor Spielbeginn eines Spielenachmittags verteilen können.

Enthalten sind fünf Leitsätze für Eltern:

  • Danken statt zanken!
  • Vergnügen statt rügen!
  • Loben statt toben!
  • Erlebnis statt Ergebnis!
  • Vorbild statt fuchsteufelswild!

Die Karte ist auf DFB.de zum Download in verschiedenen Sprachen hinterlegt: Deutsch, Arabisch, Dari, Französisch, Englisch, Russisch, Türkisch.

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Autor*in
Autor/-in: Jochen Breideband