Joshua Koj: "Outing braucht viel Vertrauen"

Es ist gut zwei Jahre her, als Joshua Koj einen Entschluss fasst, den er schon sehr lange mit sich herumträgt. Jetzt will er endlich das Gespräch suchen, mit einer Sache herausrücken. Vor 26 Jahren ist Joshua Koj als Mädchen zur Welt gekommen. Schon früh aber spürt er, dass er sich nicht weiblich fühlt.

Fußball gehört zu seinem Lebensjahr, seit er laufen kann. Zunächst spielt er beim FC Frohlinde bei den Jungs mit, dann bei den Mädchen der SG Lütgendortmund und später sogar in der U17 des VfL Bochum . Nach seinem Outing beginnt er im Juni 2022 mit der Transition inklusive Hormontherapie, ein Jahr später folgt die Mastektomie, die Entfernung der Brustdüsen.

Hier erzählt Joshua Koj seine Geschichte.

FUSSBALL.DE: Joshua, wem hast du dich zuerst anvertraut?

"Es gibt viel mehr Transmenschen, auch im Fußball. Einige haben nicht den Schritt gewagt, sich zu outen, sondern haben lieber aufgehört, Fußball zu spielen. Das finde ich sehr schade!"

Joshua Koj: Meiner besten Freundin. Sie hat mir Mut gemacht, mich zu outen, zunächst meinen Eltern gegenüber und dann auch im Fußballverein. Ich habe mich schon so lange mit dem Gedanken herumgeschlagen, offen damit herauszurücken, wusste aber nie genau, wie ich es sagen soll.

Wie waren die Reaktionen?

Koj: Fast durchweg positiv. Mein Vater hat nur gefragt: "Für wie altbacken hältst du mich, dass ich damit Probleme haben könnte?" Und im Verein haben sie nur gemeint: "Und wir dachten schon, du willst aufhören." Das war sehr befreiend für mich – und danach habe ich mich schön gefragt: Warum hast du das nicht viel früher gemacht…

Gab es einen bestimmten Zeitpunkt, als du gemerkt hast: Ich bin männlich?

Koj: Nein, ein konkretes Datum gibt es dafür nicht. Es war immer so ein Gefühl, und in der Grundschule gab es mal eine Zeit, als ich gesagt habe: "Ich wäre gerne ein Junge." Als Kind beschäftigst du dich aber nicht so richtig damit und auch als Jugendlicher verdrängst du das vielleicht noch. In der Pandemie hatte ich dann viel Zeit, mich mit meinem wirklichen Ich auseinanderzusetzen – und dann habe ich mich dazu entschlossen, mich zu outen. Seit dem 7. Februar 2023, dem Tag meiner Vornamens- und Personenstandsänderung, bin ich auch rechtlich ein Mann.

Du hast noch bis Ende der vorigen Saison, also bis Mai, bei den Frauen der SpVgg Horsthausen gekickt. War das nicht komisch, obwohl du das Outing nun schon hinter dir hattest und die geschlechtliche Transition lief?

Koj: Nein! In der Mannschaft habe ich mich immer sehr wohl gefühlt, dort habe ich viele Freundinnen, da spielt das Geschlecht nicht so eine große Rolle. Auch vom Fußball- und Leichtathletikverband Westfalen gab es keinerlei Einwände, noch eine Saison im Frauenfußball zu spielen. Ich möchte allerdings künftig in einer Herrenmannschaft spielen und hoffe, dass es dort auch keine Probleme geben wird. Ich weiß aber, dass es im Frauenfußball insgesamt einen offeneren Umgang mit Themen wie Homo- oder Transsexualität gibt.

Hast du auch schon negative Erfahrungen gemacht?

Koj: Leider ja, aber das waren die absoluten Ausnahmen. Es gab zwei Vorfälle, die nicht schön waren. Einmal hat ein Schiedsrichter gesehen, wie ich in der Halbzeit eines Spiels dies Männertoilette benutzt habe. Er hat sich bei meinen Mitspielerinnen nach mir erkundigt, anstatt mich selber zu fragen. Das fand ich enttäuschend. Und es hat auch schon mal Sprüche wie "Du hast im Frauenfußball nichts mehr zu suchen" von außen gegeben. So etwas trifft mich natürlich.

Aktuell unterstützt du das Trainerteam der Frauen von SpVgg Horsthausen, spielst aber selbst nicht. Warum?

Koj: Ich habe fast mein gesamtes Leben lang Fußball gespielt und vermisse es auch schon, aber für mich war es vor zwei Monaten der richtige Zeitpunkt, um bei den Frauen aufzuhören. Nun kommt ein neues Kapitel, eine Männermannschaft, wahrscheinlich in der Kreisliga. Ich möchte mir nun etwas Zeit lassen und mir sicher sein, dass ich mich in meinem neuen Team gut aufgehoben fühlen kann.

Denkst du, dass du andere Menschen ermutigen kannst, die sich in ihrem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht ebenfalls nicht wohlfühlen und über eine Transition nachdenken, sich ebenfalls zu outen?

Koj: Das wäre schön. Es gibt viel mehr Transmenschen, als man sich gemeinhin vorstellt, auch in meinem Umfeld – und natürlich auch im Fußball. Einige haben nicht den Schritt gewagt, sich zu outen, sondern haben lieber aufgehört, Fußball zu spielen. Das finde ich sehr schade!

https://www.dfb.de/fileadmin/_processed_/202407/csm_307611-voj1_c2e3cae288.jpg

Koj: "Möchte mir sicher sein, dass ich mich in meinem neuen Team gut aufgehoben fühlen kann."

Autor*in
Autor/-in: Heiko Buschmann