In Iserlohn: Austausch mit Spalletti und Co.

Als Flügelstürmer Mattia Zaccagni von Lazio Rom in der Nachspielzeit mit seinem sehenswerten Schlenzer zum 1:1-Endstand im abschließenden Gruppenspiel gegen Kroatien die Nationalmannschaft von Italien sicher ins Achtelfinale der UEFA EURO 2024 schoss, war der Jubel nicht nur im Stadion in Leipzig und in der Heimat riesengroß, sondern auch im Sauerland. Schließlich bereitet sich der Titelverteidiger während der EM in Iserlohn auf seine Partien vor.

Speziell im ausverkauften "Casa Azzurri", dem eigens eingerichteten Medienzentrum und Fan-Treffpunkt in unmittelbarer Nähe des Iserlohner Hemberg-Stadions, war die Stimmung ausgelassen. Rund 250 Anhänger der "Squadra Azzurra" feierten ihre Mannschaft, die jetzt im Achtelfinale am Samstag (ab 18 Uhr) in Berlin auf die Schweiz treffen wird. Mindestens also bis zum Wochenende wird das Team von Nationaltrainer Luciano Spalletti damit noch in der Waldstadt bleiben.

Gäste aus ganz Deutschland und Italien

"Für unsere gesamte Stadt, aber auch für unseren Verein ist es etwas ganz Besonderes, Base Camp des amtierenden Europameisters zu sein", sagt Jens Breer (60), seit zwölf Jahren Vorsitzender des FC Iserlohn 46/49 aus der Westfalenliga (Staffel 2) , im Gespräch mit FUSSBALL.DE . "Wir drücken dem Team natürlich auch für die kommenden Partien die Daumen. Zu einem Duell mit Deutschland kann es schließlich erst im Finale kommen."

"Für unsere gesamte Stadt, aber auch für unseren Verein ist es etwas ganz Besonderes, Base Camp des amtierenden Europameisters zu sein"

Vor allem das "Casa Azzurri" (übersetzt "blaues Haus"), das in der Matthias-Grothe-Sporthalle eingerichtet wurde, hat es Breer und vielen Bürgern der 93.000-Einwohner-Stadt angetan. "Es kommen Menschen aus ganz Deutschland, aber auch aus Italien nach Iserlohn, um sich das anzuschauen und mitzuerleben", berichtet der Inhaber eines Unternehmens für Gebäudereinigung.

"Die vielen Gäste sind natürlich speziell auch für unsere Gastronomie ein riesiger Mehrwert. Die gesamte Veranstaltung wird von den Verantwortlichen der Stadt hervorragend begleitet", lobt der Vereinsvorsitzende die Organisation, für die Sportbüro-Leiter Christian Kißmer federführend verantwortlich zeichnet.

So ist der beliebte Treffpunkt beispielsweise mit einem Museum ausgestattet, das die Höhepunkte der italienischen Fußballgeschichte (unter anderem vier WM-Titel) mit unterschiedlichen Ausstellungsstücken und Trophäen erzählt. Dazu kommen zahlreiche Spielstationen drinnen und draußen, Stände der Sponsoren der italienischen Nationalmannschaft und ein Souvenirshop. Dazu wartet täglich ein abwechslungsreiches Programm auf die Gäste und an den Spieltagen werden die EM-Partien von Italien und Gastgeber Deutschland jeweils live übertragen.

"Casa Azzurri" erstmals für Öffentlichkeit zugänglich

Das "Casa Azzurri" hat eine lange Tradition und wurde bereits im Jahr 1998 ins Leben gerufen. Seitdem stand es an sämtlichen EM- und WM-Stützpunkten der italienischen Nationalmannschaft. Dabei war es bis zur Europameisterschaft 2021 für die Öffentlichkeit gar nicht zugänglich, sondern der Zutritt rein den Journalisten und Sponsoren vorbehalten. In Iserlohn jedoch wird das "blaue Haus" erstmals auch für Fans geöffnet, die sich zuvor lediglich online registrieren und ein kostenloses Ticket buchen müssen.

Ein Besuch kann sich lohnen. Denn als Presse-Stützpunkt des italienischen Fußballverbandes gehen dort auch die italienischen Funk-, Fernseh- und Nachrichten-Teams sowie Verantwortliche der Föderation und teils auch Trainer oder Spieler ein und aus. "Es herrscht eine tolle Atmosphäre, das Team ist sehr nahbar und bodenständig. Da schaut auch schon mal Gianluigi Buffon vorbei, geht in den Austausch mit den Besuchern", berichtet Jens Breer. Torwart-Legende Buffon (176 Länderspiele/Weltmeister 2006) ist diesmal als Delegationschef der italienischen Mannschaft bei der EM in Deutschland dabei.

BVB-Greenkeeper hilft

Auch für den Verein FC Iserlohn 46/49 hat es sich bereits gelohnt, dass sich der italienische Fußballverband rund um den Jahreswechsel entschied, sein Base Camp im Sauerland aufzuschlagen. Schließlich wurde das heimische Hemberg-Stadion nach einem Beschluss des Stadtrates saniert und vor allem der 49 Jahre alte Rasen komplett erneuert. Als städtischen Mitteln wurden dafür 290.000 Euro investiert, bei der Pflege des neuen Platzes hilft unter anderem ein Greenkeeper des Bundesligisten Borussia Dortmund.

Von den optimalen Trainingsbedingungen sowie von den kurzen Wegen zwischen dem Hotel Vier Jahreszeiten, dem "Casa Azzurri" und der Spielstätte zeigten sich die Verantwortlichen der italienischen Nationalmannschaft und der UEFA sehr angetan. Zur öffentlichen Trainingseinheit vor dem EM-Start waren 4000 Zuschauer*innen zugelassen und sorgten für eine sehr gute Atmosphäre.

Die Stadt Iserlohn hatte dabei 2800 Tickets an Vereine, Schulen und ehrenamtliche Kräfte verteilt, um deren Engagement zu belohnen. Einige Schüler*innen durften mit den Stars auflaufen. Für den Verein kamen durch das Catering im Stadion sowie durch zwei Stände auf der Fanmeile während der "Italienischen Woche" in der Innenstadt auch einige zusätzliche Euros in die Kasse.

Einziges Problem für den Klub mit seinen insgesamt 38 Mannschaften: Solange Italien im Turnier ist, kann das Hemberg-Stadion nicht für den Trainings- und Spielbetrieb genutzt werden. Wenn die erste Mannschaft des Sechstligisten am 1. Juli in die Saisonvorbereitung startet, ist deshalb auch Improvisationskunst gefragt. "Das nehmen wir aber gerne in Kauf", betont Vorsitzender Jens Breer.

Wenn die "Squadra Azzurra" nicht gerade selbst trainiert, steht zumindest der Kunstrasenplatz am Hemberg zur Verfügung. Als Alternative kann der Verein aber auch noch auf die Plätze im Ortsteil Oestrich zurückgreifen. Vor zwölf Jahren hatten sich der damalige Stadtverein TuS Iserlohn und die - sportlich zwischenzeitlich sogar erfolgreicheren - Sportfreunde Oestrich (unter anderem Oberliga Westfalen) zum FC Iserlohn 46/49 zusammengeschlossen. Das hilft jetzt beim räumlichen Engpass.

In der neuen Spielzeit will der Klub, der zuletzt auf Rang neun gelandet war, in der Staffel 2 der Westfalenliga weiter oben angreifen. "Unser Anspruch ist es schon, einen der ersten fünf Tabellenplätze anzugreifen", sagt Breer, fügt allerdings gleich hinzu: "Es bleibt allerdings bei allen Ambitionen auf jeden Fall dabei, dass wir vor allem auf unseren Nachwuchs setzen. Aktuell kommen etwa 70 Prozent unserer Spieler der ersten Mannschaft aus der eigenen Jugend. Diesen Weg wollen wir weitergehen." Klar ist: An den Platzverhältnissen im Hemberg-Stadion wird es - dank Italien - definitiv nicht scheitern.

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Jens Breer: "Ist etwas ganz Besonderes, Base Camp des amtierenden Europameisters zu sein."

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Optimale Trainingsbedingungen: Neuer Rasen im Iserlohner Hemberg-Stadion.

Autor*in
Autor/-in: Ralf Debat/MSPW