Herxheim: Per Last-Minute-Drama zum Aufstieg
Auch am Morgen danach, als sie nach der rauschenden Aufstiegsfeier mit den Aufräumarbeiten beschäftigt waren, konnten sie es beim SV Viktoria Herxheim immer noch nicht so recht fassen: Am Sonntagnachmittag hatte sich im Aufstiegsrundenspiel zur Oberliga Rheinland-Pfalz/Saar geradezu Unglaubliches abgespielt. Am Ende der Partie gegen die SG 2000 Mülheim-Kärlich hieß es 5:1 für die Südpfälzer, die damit nach 31 Jahren zurück in der Oberliga sind. Zur Pause stand es noch 0:0, nach 90 Minuten 1:1. In der zehnminütigen Nachspielzeit ging es dann Schlag auf Schlag, und Herxheim schoss den Kantersieg heraus: Ein Erfolg mit vier Treffern Differenz war auch nötig gewesen, um den FC Hertha Wiesbach in der Dreierrunde zu überholen.
Der Wahnsinn nahm vor 1200 Zuschauern im Stadion am Krönungsbusch in der 90.+2 Minute seinen Lauf: Da lenkte Nathan Ikubu den Ball zu Christoph Wörzler, Herxheim führte mit 2:1. Die Gäste hatten da schon einen Akteur weniger auf dem Feld, nachdem Dominic Fuss in der 86. Minute die Ampelkarte gesehen hatte. Die Reihen lichteten sich weiter. Niklas Ternes hinderte Wörzler daran, den Ball schnell aus dem Netz zu holen, flog dafür ebenfalls mit Gelb-Rot vom Platz. Zudem waren Herxheims Nathan Ikubu und Mülheim-Kärlichs Leandro Strazzeri aneinandergeraten. Beide sahen Rot. Auf einmal standen zehn Akteure der Hausherren nur noch acht Gästespielern gegenüber.
Vier Tore in der Nachspielzeit
Herxheim setzte alles auf eine Karte. Auch Mülheim-Kärlich reichte dieses Ergebnis nicht mehr. Die als Zuschauer anwesenden Saarländer aus Wiesbach wähnten sich bereits in der Oberliga. Kapitän Raphael Gehrlein markierte das 3:1 (90.+) und eine Minute später das 4:1 (90.+9). Marcel Meinzer setzte noch eins drauf (90.+10) und versetzte den Krönungsbusch in Ekstase. Hier gibt es die entscheidenden Szenen im Video zu sehen.
"In der Nachspielzeit ging es dann aber richtig rund - unsere Zuschauer haben uns zum Sieg getragen"
"Als Mülheim-Kärlich Mitte der zweiten Hälfte das 1:1 erzielt hatte, war es auf einmal ganz ruhig, aber in der Nachspielzeit ging es dann aber richtig rund - unsere Zuschauer haben uns zum Sieg getragen", schwärmte Viktoria-Präsident Markus Maier. Seit 2013 führt er den zwischen Landau und Karlsruhe beheimateten Traditionsclub, der zuletzt 1993 in der Oberliga gespielt hat. Zwischenzeitlich ging es runter bis in die siebtklassige Landesliga. Unter Trainer Jens Bodemer, der einst als Torwart unter anderem beim Karlsruher SC ausgebildet wurde und in jungen Jahren beim 1. FC Heidenheim Drittliga-Erfahrung sammelte, stieg die Viktoria erst im vergangenen Jahr wieder in die Verbandsliga Südwest auf. "Noch mal dort zu spielen, war schon unser Anspruch. Dass es jetzt noch weiter nach oben geht, freut uns umso mehr", sagt Clubchef Maier.
Verrückte Dinge in Form von kostspieligen Transfers wollen die Südpfälzer aber auch eine Etage höher nicht machen. Am Vorhaben, ein halbes Dutzend Spieler der in der abgelaufenen Saison auf einem starken vierten Platz in der A-Junioren-Regionalliga Südwest gelandeten U19 einzubauen, will der Verein festhalten.
Diesen Prozess wird Bodemer allerdings nicht mehr mitbegleiten: Aus beruflichen Gründen hatte er schon vor einigen Monaten seinen Abschied zum Saisonende angekündigt. Sein Nachfolger wird Ralf Schmitt. Der 47-Jährige war zuletzt beim VfR Mannheim in der Verbandsliga Baden tätig und bringt Oberliga-Erfahrung aus seiner Zeit beim künftigen Herxheimer Ligakonkurrenten TuS Mechtersheim mit.
"So was noch nicht erlebt"
Ein Jahr nach dem Abstieg aus der Oberliga hätte die SG 2000 Mülheim-Kärlich nur allzu gerne den direkten Wiederaufstieg geschafft. Was sich in den in insgesamt rund 100 Minuten von Herxheim abspielte, konnte Trainer Nenad Lazarevic zu Wochenbeginn noch nicht so recht in Worte fassen. "Ich bin ja schon lange dabei, habe so was aber noch nicht erlebt", muss der 43-Jährige, früher bis hinauf zur Regionalliga aktive SG-Coach zugeben.
Lazarevic haderte mit der einen oder anderen (Platzverweis-) Entscheidung von Schiedsrichter Fabian Knoll. "Nach dem Gegentor zum 1:2 machen wir auf, haben durch Pascal Steinmetz die große Chance zum 2:2, als er an der Latte scheiterte", schildert der Trainer des Rheinlandliga-Vizemeisters die aufregende Nachspielzeit. "Später tauchen wir dann noch mal gefährlich in der Nähe des Herxheimer Tores auf. Nach dem 1:3 wurde es in doppelter Unterzahl aber immer schwieriger für uns, auch mental."
So groß Lazarevics Enttäuschung war, gratulierte er den Herxheimern bereits kurz nach dem Abpfiff ganz fair zu Sieg und Aufstieg. Keinesfalls habe sich sein Team in der Schlussphase hängen lassen und der Viktoria erst recht nichts schenken wollen, betont er.
Der aus vielen jungen Kräften bestehende Kader bleibe fast komplett zusammen. "Wir werden in der Rheinlandliga wohl sicher mehr Siege landen, als wir es in der Oberliga getan hätten", freut sich der Trainer der Sportgemeinschaft vom Rhein schon jetzt auf die neue Runde, weiß aber auch: "Bis wir dieses unfassbare Spiel in Herxheim verkraftet haben, wird es schon noch ein paar Tage dauern …"