Ferenc Ambrus: Zwei Herzen in der Brust

Das zweite Vorrundenspiel bei der UEFA EURO 2024 zwischen Gastgeber Deutschland und Ungarn, das am Mittwoch (ab 18 Uhr, live in der ARD und bei MagentaTV) in Stuttgart über die Bühne geht, wird Ferenc Ambrus in seinem Heimatland verfolgen. Der 24 Jahre alte Angreifer, der für den SC Olching in der Landesliga in Bayern auf Torejagd geht, nutzt die Sommerpause zu einem Urlaub in seiner Geburtsstadt Pécs.

Dort, ganz im Süden Ungarns gelegen und nicht weit von der Grenze zu Kroatien entfernt, war Ambrus mit zwei Schwestern aufgewachsen, ehe die Familie im Sommer 2012 nach Deutschland umsiedelte. Im oberbayerischen Landkreis Fürstenfeldbruck, ganz in der Nähe von München, wurde Ferenc dauerhaft heimisch.

"Ich freue mich schon sehr auf das Duell. Bei uns in der Stadt wird es auch ein Public Viewing geben. Eventuell werde ich mir dort das Spiel anschauen und mitfiebern", sagt Ambrus im Gespräch mit FUSSBALL.DE . Dabei werden zwei Herzen in seiner Brust schlagen. "Ich drücke natürlich Ungarn die Daumen, dass eine Überraschung gelingt. Ich wünsche mir aber auch, dass Deutschland eine gute Rolle spielt und weit kommt. Das wäre für das Turnier und die Stimmung insgesamt sehr wichtig."

21 Torbeteiligungen in erster Landesligasaison

"Grundsätzlich kommen wir aber nicht über die Einzelspieler, sondern über die Geschlossenheit der Mannschaft"

Ferenc Ambrus, der beim Umzug der Familie praktisch kein Wort Deutsch verstand und deshalb zunächst in einer so genannten Übergangsklasse unterrichtet wurde, lernte jedoch schnell und fand in der neuen Heimat schon bald Anschluss, auch durch den Fußball. Über den Dorfverein SpVgg Wildenroth und den SV Germering fand er 2015 den Weg zum SC Fürstenfeldbruck, der acht Jahre lang seine sportliche Heimat sein sollte - erst im Nachwuchs (U 17 und U19), dann auch im Seniorenbereich (Bezirksliga und Kreisliga).

Um dem Klub auch etwas zurückzugeben, begleitete er parallel dazu fünf Jahre lang ein Nachwuchsteam (Jahrgang 2006) von der U 13 bis zur U 17 als Co-Trainer. "Das hat mir großen Spaß gemacht und kann ich mir in Zukunft auch gut vorstellen", betont er. "Aktuell fokussiere ich mich aber noch lieber auf den aktiven Fußball."

Schließlich war Ambrus vor der abgelaufenen Saison mit dem Wechsel zum SC Olching gleich um zwei Spielklassen "aufgestiegen" und hatte in seiner ersten Saison in der 6. Liga alle 34 Saisonspiele bestritten. Dabei kam er auf beachtliche 14 Tore und sieben Assists für den Tabellenzwölften, der am Saisonende in der Landesliga Südwest den direkten Klassenverbleib perfekt machen konnte. Während Ferenc in Fürstenfeldbruck als Allrounder galt ("Bis auf Torwart habe ich schon sämtliche Positionen gespielt"), war er in Olching als Stürmer gesetzt und zahlte das Vertrauen zurück. "Wenn mir diese Bilanz vor Saisonbeginn angeboten worden wäre, hätte ich sofort unterschrieben", betont der ausgebildete Speditionskaufmann, der aktuell in einem IT-Unternehmen als Einkäufer tätig ist.

Laufpläne des Trainers werden im Urlaub abgespult

Die berufliche Perspektive gehört auch zu den Gründen, warum Ferenc Ambrus bei aller Verbundenheit zu seinem Heimatland und trotz seiner nach wie vor ungarischen Staatsangehörigkeit weiterhin in Deutschland bleiben möchte. "Klar, Ungarn ist meine Heimat und ich will auch gar nicht ausschließen, dass ich eines Tages mal dorthin zurückkehren könnte, wenn das Gesamtpaket passt", erklärt er. "Ich fühle mich aber auch in Deutschland sehr wohl, habe mittlerweile hier schon fast mein halbes Leben verbracht und mir alles aufgebaut. Von daher sehe ich meine Zukunft definitiv in Deutschland."

Auch der SC Olching kann weiterhin mit seinem torgefährlichen Angreifer planen. "Ich bin sehr dankbar, dass mir der Verein die Chance gegeben hat, in der Landesliga Fuß zu fassen", betont Ferenc Ambrus: "Es gab zwar die eine oder andere Anfrage von Ligakonkurrenten. Aber das war für mich kein Thema." Stattdessen spult er in der Heimat bereits das Laufprogramm ab, das Trainer Andreas Zorn seinen Spielern mit in den Urlaub gegeben hat.

Nach der Rückkehr nach Deutschland wird Ambrus am 24. Juni und damit mit einer Woche "Verspätung" auch wieder in das Mannschaftstraining einsteigen. Schließlich beginnt die Saison in Bayern traditionell bereits am dritten Juli-Wochenende und damit nur wenige Tage nach dem EM-Finale in Berlin.

"Jedes Spiel in der K.o.-Runde wäre Geschenk"

Dass die deutsche Mannschaft um Bundestrainer Julian Nagelsmann bis zum Endspiel im Turnier bleiben könnte, ist für Ferenc Ambrus "sehr gut vorstellbar". Der Landesliga-Kicker ist sich sicher: "Der Heimvorteil wird dem Team einen Boost geben. Dabei wird Deutschland mindestens das Viertelfinale erreichen. Aber auch danach ist alles möglich. Mein Finaltipp wäre Deutschland gegen Portugal."

Für die eigene Nationalmannschaft hofft Ferenc Ambrus, dass Ungarn die Gruppenphase übersteht: "Der Einzug in die K.o.-Runde wäre für uns schon ein großer Erfolg. Jedes Spiel, das danach noch kommt, wäre ein Geschenk. Vielleicht gelingt es dem Team, den einen oder anderen Favoriten zu ärgern."

Viele Ungarn in Deutschland bestens bekannt

Immerhin hat Ungarn mit Kapitän Dominik Szoboszlai vom FC Liverpool nach vielen Jahren mal wieder einen echten Starspieler in seinen Reihen. Auch seine früheren Leipziger Teamkollegen Willi Orban und Peter Gulacsi sowie Roland Sallai, Attila Szalai (beide SC Freiburg), Andras Schäfer (1. FC Union Berlin) oder Marton Dardai (Hertha BSC) haben ihre Qualitäten schon in der Bundesliga nachgewiesen. "Grundsätzlich kommen wir aber nicht über die Einzelspieler, sondern über die Geschlossenheit der Mannschaft", findet Ambrus.

Diese Erfahrung musste auch schon das DFB-Team in den zurückliegenden Duellen bei der EURO 2021 in München (2:2) oder auch zuletzt in der Nations League (1:1 und 0:1) machen. "Dennoch ist Deutschland bei der EM der klare Favorit. Es wäre schon sensationell für uns, erneut ein Remis zu erreichen", so Ferenc Ambrus.

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Ambrus: "Bei uns in der Stadt wird es auch ein Public Viewing geben"

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Ambrus: "Ich bin sehr dankbar, dass mir der Verein die Chance gegeben hat."

Autor*in
Autor/-in: Ralf Debat/MSPW

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