"Danke, Schiri": Die Schilling-Zwillinge
Entgegen landläufig grassierender Vorurteile ist Schiedsrichtern keine Einzelsportart. Denn Schiedsrichter brauchen Rücksprache und Rückhalt. Schiedsrichterinnen auch. Sie brauchen ein Team.
Ann-Katrin Schilling pfeift seit sechs Jahren und sagt: "Die Begleitung und die Möglichkeit zur Rücksprache sind mir bis heute wichtig. Es gibt super tolle, aber eben auch mal knifflige Spiele. Dann muss einem der Rücken gestärkt werden." Ihre Schwester Jennifer Schilling wird deutlicher: "Ohne unsere Schiedsrichter-Gruppe wären wir heute nicht bei dieser Ehrung."
Die eineiigen Zwillinge Jennifer und Ann Katrin Schilling brauchen selten Rückhalt. Denn beide sind sehr, sehr gut. Der DFB ehrte beide gerade als Landessiegerinnen Baden-Württemberg im Rahmen der Gala "Danke, Schiri" auf dem DFB-Campus in Frankfurt.
Seit 2017 Schiedsrichterinnen
"Ohne die Schiedsrichterin auf dem Platz gibt es kein Spiel"
Erwin und Helmut Kremers spielten in den 70ern, in der Bundesliga der nuller Jahre Halil und Hamit Altintop und zuletzt Sven und Lars Bender. Fußball und Zwillinge. Nun also als Schiedsrichterinnen die Schilling-Zwillinge. Jennifer und Ann Katrin pfeifen in der Kreisliga A (Männer) und in der Oberliga (Frauen). Und ja, wie in Erich Kästners Roman "Das Doppelte Lottchen" kommt es zu Verwechslungen. "Sagen Sie mal, Sie waren doch erst letzte Woche hier, wollen Sie jetzt alles unsere Spiele pfeifen?", werden sie begrüßt und klären dann auf: "Das war meine Zwillingsschwester."
Seit 2017 leiten sie Fußballspiele. Nach gemeinsam absolviertem Abitur, gemeinsamen Gardetanz und gemeinsamen Studium legten sie vor sechs Jahren – na klar - gemeinsam die Schiedsrichter-Lizenz ab.
Gemeinsam spielten sie damals beim TSV Stetten-Hechingen. "Aber irgendwann", erinnert sich Jennifer, "war die Schiedsrichterei viel schöner als selber zu spielen." Man komme rum, lerne viele Leute kennen. "Die Kinder und Jugendlichen zu begleiten, ihnen während des Spiels etwas mitgeben zu können, das macht wahnsinnig Spaß", beschreibt die ein paar Minuten jüngere Ann Katrin Schilling den Reiz der Spielleitung. "Ohne die Schiedsrichterin auf dem Platz gibt es kein Spiel", sagt Jennifer Schilling.
Durch die Forschung wissen wir, wie ähnlich eineiige Zwillinge sich sind. Entscheidend sind die Heritabilität – vulgo: die Gene – und gemeinsam erlebte Umwelteinflüsse. Man geht von einer 87-prozentigen Korrelation aus. Optisch kaum auseinanderzuhalten, ist Ann Katrin extrovertierter, Jennifer beobachtet und formuliert gerne auf den Punkt. Doch anders als die ersten Zwillinge der Menschheitsgeschichte vor rund 4000 Jahren, Jakob und Esau, die Söhne Issaks, verstehen sich die beiden Millenials ausgezeichnet. "Wir sind immer zu zweit, wir denken zu zweit, immer schon."
"Sind gut organisiert"
Was also macht sie als Schiedsrichterinnen aus? Jennifer sagt über Ann Katrin Schilling: "Sie ist sehr aufmerksam, auch einfühlsam. Wenn nötig, kann sie aber auch absolut konsequent entscheiden." Und Ann Katrin sagt über Jennifer Schilling: "Auf dem Platz strahlt sie eine wahnsinnige Ruhe aus, auch in brisanten Situationen. Das ist große Klasse."
Jede ist Hauptschiedsrichterin, beim Fußball aber müssen sich ihre Wege trennen. Beide haben jeweils 80 Spiele in der Saison gepfiffen. Und beide sind Berufspendlerinnen, dazu beide noch als Tanztrainerinnen und ehrenamtlich in der Jugendarbeit engagiert. Viel Zeit bleibt da nicht. "Wir sind sehr gut organisiert", sagt Ann Katrin Schilling.
Dem Fußball im Zollernalbkreis ist es also zu wünschen, dass die Schilling-Zwillinge noch lange pfeifen. Sie sind ein Vorbild für junge Frauen, die über eine Schiedsrichterinnen-Laufbahn nachdenken. Um anzufangen, muss man nicht mal eine Zwillingsschwester haben.