Berger mit 85 noch am Ball

Nein, Jahrgang 1876 ist hier dann doch keiner. So alt ist nur der Verein, für den die Oldies der Männerabteilung des TVG 1876 Kaiserau am Ball sind. Der vor fast eineinhalb Jahrhunderten gegründete Turnverein bietet in inzwischen 16 Abteilungen Sport an, darunter ist auch die Männerabteilung.

Diese spielt Fußball, allerdings meist nur Fußballtennis, und das als reines Hobby, ohne richtigen Wettkampf. Das hat seinen Grund, denn die Männer, die sich einmal in der Woche in der Sporthalle Kaiserau zum Kicken am Netz treffen, haben schon ein paar Tage auf dem Buckel. Wenn sie zu zwölft sind, kommen meistens über 1000 Jahre. Jünger als 70 ist keiner, der älteste ist 85. Hier erzählt Jürgen Berger seine Geschichte.

FUSSBALL.DE: Herr Berger, manche Spieler hören mit Mitte 30 mit dem Fußball auf, andere kicken noch weiter, bis sie 50 oder gar 60 sind. Was machen Sie denn mit 85 noch am Ball?

Jürgen Berger: Ich bin ja vernünftig geworden und habe inzwischen aufgehört (lacht) . Wir sind beim TVG Kaiserau einfach eine verschworene Gemeinschaft, lieben das Vereinsleben und treffen uns gerne. Nach dem sportlichen Teil, bei dem ich jetzt nicht mehr mitmache, sitzen wir immer noch bei der dritten Halbzeit in unserem Vereinsheim zusammen. Das möchte ich nicht missen.

Wir sind beim TVG Kaiserau eine verschworene Gemeinschaft. Nach dem sportlichen Teil sitzen wir immer noch bei der dritten Halbzeit in unserem Vereinsheim zusammen. Das möchte ich nicht missen

Warum haben Sie denn aufgehört?

Berger: Ich bin leider nicht gesund. Ich habe schon vor einigen Jahren einen Herzinfarkt erlitten, danach wurde mir ein Bypass gelegt und ein Defibrillator implantiert. Der hat mir letztes Jahr das Leben gerettet.

Was ist passiert?

Berger: Ich hatte einen Herzstillstand und bin zusammengebrochen. Das war beim Fußballtennis. Wir spielen ja aus Altersgründen nicht mehr richtig Fußball, sondern eben Fußballtennis, allerdings muss man sich dabei ja auch ein bisschen bewegen. Plötzlich bin ich in mich zusammengesackt und war für einige Sekunden weg. Dann ist der Defi angesprungen, das war mein Glück. Wenn wir auf einen Rettungswagen hätten warten müssen, wäre ich jetzt nicht mehr da.

Wie lange spielen Sie schon Fußball?

Berger: Fast mein ganzes Leben lang. In einen Verein eingetreten bin ich aber erst mit 18, das war bei Empor Eichwalde in der damaligen DDR. Da war es üblich, dass man erst so spät in einen Verein eingetreten ist. Vorher hat man auf der Straße oder im Hinterhof gekickt, außerdem gab es natürlich Sport in der Schule. Geboren bin ich aber 1938 im heutigen Polen, in Gorzów Wielkopolski, damals hieß das Landsberg an der Warthe. Während des zweiten Weltkriegs sind wir dann nach Eichwalde geflohen.

Und seit wann sind Sie in Kaiserau?

Berger: Seit 1960, ein Jahr vor dem Mauerbau. Die wirtschaftlichen Verhältnisse in der DDR wurden immer schlechter. Ich habe Tischler gelernt und in Eichwalde keine Perspektive mehr gesehen. Wir sind dann mit der gesamten Familie zu Verwandten nach Dortmund gezogen, das war ein großes Glück für uns, dass wir noch vor dem Mauerbau rübermachen konnten.

Dem Fußball sind Sie treu geblieben…

Berger: Ja, ich habe zunächst ein Jahr bei der SpVg Berghofen  gespielt und danach beim SuS Nette in der Kreisliga A. Später sind wir dann nach Kamen gezogen, wir haben unseren Sohn Alexander beim SuS Kaiserau Fußball angemeldet und mich haben sie angesprochen, ob ich nicht beim TVG Kaiserau bei der damals neu gegründeten Männerabteilung mitmachen möchte. Da habe ich gerne zugesagt, das ist jetzt über 40 Jahre her.

Was macht für Sie das Vereinsleben aus?

Berger: Der Zusammenhalt, dass man gemeinsam schöne Zeiten erlebt und auch gemeinsam etwas schafft. Als Handwerker war ich immer gefragt und habe gerne geholfen, wo es etwas zu tun gab. Im Vereinsheim habe ich zum Beispiel die Fenster eingebaut oder Tische repariert. Beim TVG war ich auch bis 2019 als zweiter Vorsitzender im Vorstand tätig und habe mit den anderen Verantwortlichen wie Uli Neuhaus und Uli Müller verschiedene schöne Veranstaltungen, zum Beispiel Laufveranstaltungen oder Ü 50 und Ü 60-Fußballturniere, mitorganisiert.

Und was ist das Besondere an den 'ganz alten Herren' des TVG Kaiserau?

Berger: Das ist nicht nur das Alter, auch wenn es sicher außergewöhnlich ist, dass Über-70-Jährige noch regelmäßig am Ball sind. Uns macht das Gemeinschaftliche aus, wir freuen uns immer, wenn wir uns sehen. Wir haben zwei Gruppen, die Älteren spielen eben nur noch Fußball-Tennis, weil es mit dem normalen Fußball doch zu anstrengend geworden ist. Wir haben auch mal überlegt, es mit Walking Football zu versuchen, aber das war für die meisten einfach nichts. Und die Jüngeren, also die zwischen 40 und 60, spielen im SportCentrum Kaiserau noch regelmäßig Fußball und nehmen auch an Turnieren teil.

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Im hohen Alter immer noch aktiv: die Männerabteilung des TVG 1876 Kaiserau

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Mit vollem Einsatz dabei: Die Männer des TVG Kaiserau

Autor*in
Autor/-in: Heiko Buschmann