Balkan Mix: "Straßenfußball ist mein Leben"

Wir schreiben das Jahr 2015: Adele veröffentlicht ihren Hit „Hello“ und der „Dab“ macht seine Runden im Internet. Doch 2015 war auch das Jahr von Balkan Mix. Die Straßenfußball-Gruppe um Sanel Begzadic startete in diesem Jahr richtig durch. Die Medien Focus und die Welt berichteten über die Gruppe, die sich aus vielen verschiedenen Nationen zusammensetzte – und sogar einen Ausrüstervertrag mit Nike hatten die jungen Männer. Neun Jahre später ist einiges anders, aber manches doch gleichgeblieben. Mouadh Ben-Abdesselem ist Teil der 2. Generation von Balkan Mix und möchte den Hype um den Straßenfußball wieder entfachen. FUSSBALL.DE hat mit ihm über die Geschichte des Teams, seine schönsten Erinnerungen und Zukunftspläne gesprochen.

FUSSBALL.DE: Wie kam es zur Gründung von Balkan Mix?

Mouadh Ben-Abdesselem: 2013 war die Zeit der Nike Straßenfußball-Turniere unter dem Namen „Gewachsen auf Beton“ in ganz Europa. Unser Gründer Sanel Begzadic hatte die Idee, mit ein paar Jungs an dem Turnier in Berlin teilzunehmen. Schnell haben sie gemerkt, dass das Team erfolgreich sein konnte und es auch geworden ist. Damals bestand Balkan Mix aus acht verschiedenen Nationen und hat auch an der Streetsoccer-Weltmeisterschaft 2014 in Dubai teilgenommen. Doch irgendwann ist der Straßenfußball-Hype abgeflacht und es gab kaum noch Turniere. Nike, damals der Sponsor von Balkan Mix, wollte den Straßenfußball in Berlin nicht weiter unterstützen und zog sich zurück. Zudem wurden die Spieler älter, haben zum Teil auch noch in einem Verein Fußball gespielt, manche gründeten Familien.

Sie und die Jungs, die jetzt unter dem Namen Balkan Mix spielen, sind Teil der neuen Generation. Wie kam es dazu und was hat sich geändert?

"Bei Balkan Mix habe ich Leute, auf die ich zählen und mit denen ich erfolgreich werden kann"

Ben-Abdesselem: Balkan Mix war damals mein Straßenfußball-Konkurrent. Ich hatte zu dem Zeitpunkt noch eine andere Mannschaft – die Black Devils. Aber die Teams kannten sich untereinander und ich habe mich auch gut mit den Jungs verstanden. Durch den Kontakt von damals kam es 2021 dazu, dass wir Sanel gefragt haben, was er davon halte, wenn wir Balkan Mix wiederbeleben? Er fand die Idee gut und hat uns so gut wie möglich unterstützt. Abgesehen vom Kader hat sich nicht viel verändert. Letztendlich geht es uns wie Sanel darum, dass wir Leute brauchen, die kicken können, und nicht darum, wo jemand herkommt. Aktuell sind wir zu zwölft und haben auch Spieler aus allen möglichen Herkunftsländern, unter anderem Bosnien, Libyen und Tunesien. Mittlerweile gibt es einen Internationalen Straßenfußballverband (ISFA), der auch Weltmeisterschaften veranstaltet. Da ist unser Ziel, möglichst erfolgreich zu sein und Weltmeister zu werden.

Was verbinden Sie mit Balkan Mix?

Ben-Abdesselem: Das ist eine Bruderschaft. Man kämpft füreinander auf dem Platz, aber wir treffen uns auch privat und lachen viel gemeinsam. Das Ganze ist sehr familiär. Wir sind ständig am Telefonieren und am Planen. Bei Balkan Mix habe ich Leute, auf die ich zählen und mit denen ich erfolgreich werden kann.

Was muss jemand mitbringen, um bei euch mitzuspielen?

Ben-Abdesselem: Wir suchen Leute, die technisch sehr versiert sind und auch mal härter spielen, so wie es auf der Straße üblich ist. Wir brauchen Charaktere auf dem Platz, sodass bereits unsere Aura den Gegner einschüchtert. So wie es auch früher gewesen ist, vor allem durch das Trikot-Set von Nike. Auch taktisch muss jeder, vor allem beim 4 + 1 wie beim Straßenfußball üblich, auf dem neusten Stand sein. Mit dem aktuellen Team haben wir die richtige Chemie an Spielern gefunden, so dass uns jeder einzelne weiterhelfen kann.

Was reizt Sie am Straßenfußball?

Ben-Abdesselem: Das Gefühl der Straße erinnert uns an unsere Kindheit, ans Erwachsenwerden. Es gab keinen Trainer und man musste lernen, sich durchzusetzen. Das hat uns geprägt und so hat die Straße uns fußballerisch erzogen. Wir fühlen uns verantwortlich, die Jugendlichen wieder auf den Bolzplatz zu bringen, Straßenfußball wieder attraktiver zu machen. Da draußen gibt es viele Talente, die nicht gesichtet werden, die auch nicht an sich selbst glauben, aber wir wollen ihnen eine Plattform bieten. Es geht nicht nur um uns, sondern wir wollen den Jungs und Mädchen zeigen, dass es außerhalb der Playstation auch noch ein Leben gibt, was sehr viel Spaß machen kann.

Wie attraktiv ist Straßenfußball jetzt?

Ben-Abdesselem: Wenn ich an den Bolzplätzen hier in Berlin vorbeigehe, sind die meisten leider leer. Tendenziell ist der Straßenfußball aber gerade wieder richtig gehypt. Es gibt jetzt eine International Street Football Association (ISFA), die auf der ganzen Welt Turniere veranstaltet. Wir sind der Ansprechpartner für diese Organisation in Deutschland. Unsere Aufgabe ist es, das Straßenfußball-Netzwerk in Deutschland wiederzubeleben.

Ihr habt am 29.06 gemeinsam mit Adidas ein Straßenfußball-Turnier in Berlin organisiert. Was genau war das für ein Turnier?

Ben-Abdesselem: Vor dem Reichstag in Berlin befand sich während der EM die Fanzone und da wurde uns ein „Adi-Pitch“ (ein Bolzplatz Anm. d. Red.) zur Verfügung gestellt, wo wir unser Turnier ausrichten durften. Nachdem wir zu Turnieren in Lettland und Österreich eingeladen waren, hatten wir die Idee, dass es auch in Deutschland ein Team geben sollte, das Straßenfußball-Turniere auf einer ganz anderen Ebene auf die Beine stellt. Wir haben die besten Spieler und Teams aus Europa eingeladen. Unser Plan war es, die Besten gegeneinander spielen zu lassen, sodass jeder richtig Lust auf Straßenfußball bekommt. Mit den Gegebenheiten, die Adidas uns zur Verfügung gestellt hat, war das Turnier noch mal auf einem ganz anderen Level. Ein riesiger Fokus ist für uns jetzt auch das Organisieren von Turnieren – nicht nur noch selbst zu spielen. Wir als Balkan Mix fühlen uns auch ein Stückweit dafür verantwortlich, dass Straßenfußball wieder populärer wird.

Was ist Ihr Fazit nach dem Turnier?

Ben-Abdesselem: Es war überragend und wir haben nur positives Feedback bekommen. Natürlich haben wir uns aber auch zusammengesetzt, um eine Fehleranalyse zu machen – was hätten wir besser machen können, aber ansonsten – alles war harmonisch, es gab Musik, alle hatten Spaß und die Spiele waren auf einem sehr hohen Niveau. Außerdem sind viele Leute auf uns aufmerksam geworden. Alle haben sich bei uns bedankt und freuen sich auf das nächste Turnier von uns.

Was sind Ihre schönsten Erinnerungen mit Balkan Mix?

Ben-Abdesselem: Wenn es explizit um Balkan Mix geht, erinnere ich mich gerne an den Tag, an dem wir das Ganze übernommen haben und die Gruppe als New Generation wieder ins Leben gerufen haben. Beim ersten Turnier haben wir direkt erfolgreich gespielt und da kamen dann Visionen auf.

Was sind eure Pläne für die Zukunft?

Ben-Abdesselem: Es stehen einige Projekte an. In Verbindung mit der Street Football Association auch in anderen Ländern. Ende September bin ich mit der Association in Japan, um den Straßenfußball in Tokio wieder aufleben zu lassen. Außerdem sind Turniere in der ganzen Welt geplant – in Kolumbien und vielleicht auch in Brasilien. Wir wollen als Balkan Mix wachsen, die Welt auf uns aufmerksam machen, so gut es geht aufsteigen und unseren Beitrag für die Straßenfußball-Community leisten.

Autor*in
Autor/-in: Anna Steiner