Aubstadt: Schuhe vergessen, Spiel gewonnen
Not macht erfinderisch. Als der TSV Aubstadt, Tabellendritter in der Regionalliga Bayern, versehentlich ohne Fußballschuhe zur Partie beim mehr als 300 Kilometer entfernten FC Memmingen angereist war, zogen die Verantwortlichen alle Register, um eine drohende Spielabsage zu verhindern. Tatsächlich ging es mit ein wenig Verspätung los - und der TSV nahm als "Andenken" auch noch drei Punkte mit. FUSSBALL.DE verrät, welche Rolle dabei ein Sportgeschäft in Memmingen, ein österlicher Kurzurlaub und FCM-Trainer Matthias Günes spielten.
"Aufgrund eines Ausrüstungsproblems bei den Gästen verzögerte sich der Anpfiff um 20 Minuten", notierte Schiedsrichter Markus Huber (Wurmannsquick) später recht nüchtern im offiziellen Spielbericht. In der Tat handelte es sich um ein gravierendes "Ausrüstungsproblem", hatte der ehrenamtlich engagierte Betreuer des TSV Aubstadt doch schlichtweg vergessen, vor der Abfahrt in Richtung Allgäu am Samstagmorgen um 7.30 Uhr die Box mit den Fußballschuhen sämtlicher Spieler in den Mannschaftsbus zu laden. Sie blieb in der Kabine in Aubstadt stehen.
Memminger helfen mit Schuhen aus
Das allerdings fiel erst auf, als die Unterfranken schon längst an der Memminger Arena angekommen waren und dort gegen 12.30 Uhr das weitere Equipment wie Trikots, Hosen, Stutzen, Torwarthandschuhe oder Trainingsbälle für das Aufwärmen in die Kabine brachten. "Unser Trainer Julian Grell und die Spieler waren im ersten Moment natürlich alles andere als begeistert, denn eine optimale Spielvorbereitung sieht sicherlich anders aus", sagt Aubstadts Fußball-Abteilungsleiter Günter Schirling (67) im Gespräch mit FUSSBALL.DE . "Es gab deshalb aber keine Vorwürfe an irgendjemanden, sondern wir haben versucht, diese äußerst schwierige Situation bestmöglich zu meistern."
"Mir kann als Mannschaftsverantwortlicher alles passieren - nur unsere Fußballschuhe werden wir garantiert nie mehr vergessen"
Immerhin hatten einige TSV-Kicker noch eigene Ersatzschuhe in ihren Sporttaschen dabei. Dazu half - sportlich äußerst fair - auch der (stark abstiegsbedrohte) Gegner mit und stellte den Aubstädtern spontan einige Paar Fußballschuhe leihweise zur Verfügung. Sogar FCM-Trainer Matthias Günes gab seine Stiefel ab. "Wir können uns beim FC Memmingen für dieses vorbildliche Verhalten und Fair Play nur bedanken", sagt Aubstadts Fußball-Boss Schirling. "Der Gegner hat uns dann auch den Kontakt zu einem gut sortierten Sportgeschäft vermittelt, das mit dem Verein in Sachen Ausstattung kooperiert."
Auf die Schnelle erstellte der frühere Kaufmann, der in der Baustoffbranche tätig war, noch in der Kabine der Memminger Arena eine Liste mit den fehlenden - insgesamt elf - paar Fußballschuhen, notierte die gewünschten Marken, Modelle und Größen der einzelnen Spieler, um möglichst passende Treter beschaffen zu können.
Einkaufstour in der City
Zusätzliches Glück: Während seine Teamkollegen gemeinsam mit dem Mannschaftsbus angereist waren, hatte sich Außenbahnspieler Patrick Hofmann entschieden, mit dem Privatwagen nach Memmingen zu fahren, um unmittelbar nach dem Abpfiff in einen österlichen Kurzurlaub aufbrechen zu können. Er stellte sein Auto zur Verfügung, damit Torwart-Trainer Julian Schneider und Abteilungsleiter Günter Schirling vor dem Spiel gemeinsam mit den als Reservespielern eingeplanten Mike Dellinger und Christian Köttler in die etwa zehn Autominuten entfernte Stadt fahren konnten, um dort auf Einkaufstour zu gehen.
Mit dem Wunsch, elf Paar Fußballschuhe auf einmal einzukaufen, sorgten die Aubstädter beim Fachhandel kurz vor Ladenschluss für beste Stimmung. "Alle Mitarbeitenden waren sehr freundlich und kompetent, hatten nach unserem Besuch natürlich auch beste Laune", sagt Günter Schirling im Rückblick mit einem Grinsen auf dem Gesicht. Für acht Spieler waren sogar die exakt gewünschten Modelle vorrätig, nur drei TSV-Kicker mussten mit ungewohnten Marken vorliebnehmen.
"Wir waren um etwa 13.30 Uhr in dem Geschäft. Schon nach weniger als 20 Minuten waren wir fertig und mit elf Kartons wieder auf dem Weg zum Stadion", beschreibt Günter Schirling, der zuvor freilich die private Bankkarte zücken musste, um die Rechnung von knapp 2.000 Euro zu begleichen. "Weil das Geschäft mit dem FC Memmingen zusammenarbeitet, haben wir sogar noch einen Rabatt bekommen", so der Funktionär. Als die neuen Schuhe verteilt waren, konnte nach kurzer Aufwärmphase die Partie doch noch beginnen.
Box mit Schuhen nach Rückkehr gefunden
Bitter für die Hausherren: Auch mit nagelneuen, zum Teil ungewohnten oder sogar fremden Fußballschuhen wurde der TSV Aubstadt seiner Favoritenrolle gerecht und gewann dank eines Treffers des zur Pause eingewechselten Steffen Behr in Memmingen schließlich 1:0. Während die Gäste damit ihren dritten Rang festigten, rutschten die Allgäuer auf den letzten Tabellenplatz ab und müssen mehr denn je um den Klassenverbleib bangen.
"Mit dem Sieg im Gepäck war die Stimmung auf der Rückfahrt trotz unseres Malheurs ausgezeichnet", berichtet Günter Schirling: "Als wir dann nach insgesamt fast zehn Stunden im Bus wieder zu Hause waren und die Alu-Box mit den Schuhen in der Kabine fanden, konnten wir auch wieder darüber lachen."
Für noch bessere Laune in Aubstadt sorgte dann nur drei Tage später das 1:1 vor 1911 Zuschauer*innen im Topspiel gegen Tabellenführer FC Würzburger Kickers, bei dem der TSV Aubstadt den Titelfavoriten am Rande seiner ersten Saisonniederlage hatte und erst fünf Minuten vor dem Abpfiff den Ausgleich hinnehmen musste. Im Schnitt kommen mehr als 900 Fans zu den Heimspielen der Grabfelder. Und das, obwohl Aubstadt selbst nur rund 700 Einwohner*innen hat.
"Was wir als Dorfverein in unserer ländlichen Umgebung auf die Beine stellen, kann sich schon sehen lassen", sagt Günter Schirling nicht ohne Stolz: "Alle Trainer und Spieler arbeiten oder studieren, wir trainieren dreimal pro Woche am Abend. Wenn wir damit in der Regionalliga Bayern in der Spitzengruppe mitmischen, dann sind wir als kleiner Klub bereits am oberen Ende unserer Möglichkeiten angekommen."
Und dann lässt sich auch mal eine nicht eingeplante "Investition" in elf neue Paar Fußballschuhe verkraften, obwohl Günter Schirling verspricht: "Mir kann als Mannschaftsverantwortlicher alles passieren - nur unsere Fußballschuhe werden wir garantiert nie mehr vergessen."